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Es werden Posts vom Mai, 2020 angezeigt.

Not my master

"This day is worth living This fight is worth fighting This hope is worth hoping What I walk away from is not my master" Quelle: Hatebreed, "Not my master"

Es könnte alles noch viel schlimmer sein

Solange ich nicht eines Morgens im Körper eines schwerst CFS-Kranken aufwache oder als Tiersklave in einer österreichischen Mastfabrik, werde ich Gründe dafür finden, optimistisch zu sein. Meine gesundheitliche Lage ist nicht schön, aber es gibt dennnoch Milliarden von Wesen, die sofort mit mir tauschen würden. Denn abgesehen von meinen beträchtlichen Einschränkungen lebe ich wie im Paradies: Es ist jeden Tag genug zum Essen da. Ich lebe in einem der sichersten und friedlichsten Länder der Welt. Wir haben einen Garten, in dem ich herumspazieren kann. In unserer ruhigen Nachbarschaft gibt es kaum Verkehrslärm. Es rollen keine Panzer über die Straßen. Im Haushalt muss ich mich um nichts kümmern und kann mich stattdessen meiner Genesung widmen. Ich habe ein eigenes Zimmer, in das ich mich jederzeit zurückziehen kann, wenn ich alleine sein will. Ich muss nicht über meinen eigenen Fäkalien leben, wie es für Millionen von Tieren in Österreich normal ist. Ich werde nicht eines Tages umgebrach...

Brainfog 4: Re-Evaluations

Schon öfters habe ich über Brainfog geschrieben (→ Teil eins , zwei und drei ). Einerseits will ich das Phänomen besser verstehen und andererseits einen Weg finden, geistig wieder aktiver zu sein.  Seit dem letzten Brainfog habe ich meistens penibel darauf geachtet, innerhalb meiner geistigen Grenzen zu bleiben. Das ist nicht einfach, denn viel kann ich mit 15 Minuten Denkarbeit nicht anstellen. Die sind erstaunlich schnell weg.  Aber diese Strenge hat sich auch bewährt. Seit März hatte ich keinen Brainfog mehr. Meine intuitiven Schätzwerte waren also okay.  Dennoch möchte ich gerne wissen: Was gehe ich für ein Risiko ein, wenn ich über meine geistigen Grenzen gehe? Muss ich wirklich so diszipliniert sein? Darum die Frage:  Wie groß ist die Brainfog-Wahrscheinlichkeit bei einer mittleren kognitiven Belastung (z.B. Schreiben auf Papier, Musik hören, etc.) in den jeweiligen Risikozonen? Grün (<15 Minuten): 0 - 5 % Gelb (15 - 20 Minu...

Die Schönheit der Langsamkeit

Es hat auch seine guten Seiten, so langsam zu sein, wie ich es aktuell bin. Ich fühle mich präsenter und nicht mehr so getrieben von mir selbst.  Ich nehme alles viel intensiver wahr.  Den Geschmack des Essens, das Rascheln der Blätter im Wind, die schönen Blumen auf dem Tisch, das Knirschen von Kies unter meinen Schuhen, die vielen Insekten, die im Garten herumwuseln, ... In den Jahren vor meiner Diagnose konnte mir nichts schnell genug gehen. Bei vielen Aktivitäten des Alltags dachte ich schon an die nächste oder an andere Aufgaben, die mir wichtiger erschienen. Als sich mein Zustand immer weiter verschlechterte, wurde auch mein Zeit-Budget knapper und knapper. Für mich hieß das: Lästige Aktivitäten wie z.B. Essen noch schneller und effizienter gestalten!  Das löste natürlich mein fundamentales Energie-Problem nicht, sondern machte es eher noch schlimmer.  Nach der CFS-Diagnose sah ich mich dazu veranlasst, einige Gänge herunterzuschalten. An...

Ein Puzzle mit Zehntausend Teilen

Bei der Suche nach einer guten Erklärung für meine Beschwerden war ich leider jahrelang auf der falschen Fährte. Für mich war das so, als müsste ich ein Puzzle mit Zehntausend Teilen lösen.  Und zwar blind und einarmig. Also eine fast unlösbare Aufgabe.  Mit der CFS-Diagnose wurde es leichter. Das Puzzle hat immer noch gleich viele Teile. Aber jetzt habe ich beide Hände frei und kann sehen, was ich tue. Die Aufgabe ist immer noch schwierig und die Krankheit bleibt gefährlich. Doch jetzt habe ich eine Ahnung davon, wie das Puzzle am Ende aussehen könnte.

Folter

Vorbemerkung: Der folgende Text stellt nicht meinen aktuellen Zustand dar, sondern stammt vom 19. Juli 2018. Ich will damit zeigen, in was für einer schlimmen Situation ich mich befand, als ich noch keine CFS-Diagnose hatte. meine gliedmaßen fühlen sich so an, als wären sie mit blei gefüllt fast alle bewegungen fallen mir schwer die augen brennen und meine stirn scheint gleich zu platzen, so stark ist der druck, den ich spüre eine unendliche tortur an tagen wie heute ist mein leben die reinste hölle nicht mal schmerzmittel können meinen zustand merklich bessern komm, süßer tod erlöse mich

Bitte warten

Einer der schlimmsten Aspekte von CFS ist (abgesehen von den massiven Symptomen), dass es so lange dauern kann, bis man als Betroffener endlich eine Diagnose erhält (oder selbst erkennt, dass man daran erkrankt ist).  In Österreich scheint es aktuell normal zu sein, dass bis zur CFS-Diagnose Jahre (!) vergehen. In meinem Fall waren es ungefähr 4 bis 6 Jahre (genauer kann ich das im Moment leider noch nicht sagen, weil das schon so weit in der Vergangheit liegt), bei einer anderen Betroffenen unfassbare 13 (!!) Jahre bis zur CFS-Erkenntnis. Der Schnellste, von dem ich bisher gehört habe, schaffte es in knapp einem Jahr.  Diese lange Unwissenheit ist fatal. Ich vermute, dass sich mein Grundzustand über all die Jahre hinweg mit jedem Crash verschlimmert hat und dadurch mein Energiebudget immer kleiner wurde. Hoffentlich wird die CFS-Diagnose eines Tages so fortschrittlich sein, dass Betroffene nicht mehr Jahre, sondern nur mehr Monate oder sogar Wochen warten müsse...

Voller Stolz und Dankbareit...

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...darf ich verkünden, dass ein Text über meine bisherigen Erfahrungen mit CFS in der aktuellen Mai-Ausgabe der Vorarlberger Straßenzeitung Marie erschienen ist. Ich hoffe, dass dadurch einige Menschen über diese schwere Krankheit aufgeklärt und vielleicht sogar manche vor einem ähnlichen Schicksal wie meinem bewahrt werden.

Mit Glück zur Diagnose

Bei der Aufarbeitung meiner langen Krankheitsgeschichte ist mir schon vieles klar geworden, unter anderem auch diese schaurige Tatsache: Es war pures Glück, dass ich von CFS erfahren habe.  Das war kein systematisches Vorgehen, weder von mir noch von ärztlicher Seite, sondern eine Verkettung gücklicher Zufälle, die mich zur CFS-Diagnose geführt haben.  Das Bezeichnende und Traurige an dieser Geschichte ist, dass der entscheidende Hinweis nicht von einem Arzt kam, sondern von einem alten Bekannten (und ebenfalls CFS-Betroffenen). Ohne diesen Hinweis würde ich mich wahrscheinlich immer noch nach dem alten Muster körperlich zu Grunde richten, hätte einem Crash nach dem anderen und wäre meiner ominösen Phantom-Erkrankung hilflos ausgeliefert.  Es sollte verdammt noch mal nicht von Glück abhängig sein, die Diagnose für eine schwere Erkrankung zu bekommen, die mir und anderen Betroffenen so viele leidvolle Jahre beschert hat. Darum muss CFS so schnell wie m...

Der Auslöser (?)

Manche CFS-Betroffene können auf den Tag genau sagen, wann ihre Probleme begonnen haben. Sie erkrankten quasi schlagartig an CFS. Ich gehöre zu jenen, bei denen die Sache nicht so eindeutig ist, weil die Erkrankung nicht so plötzlich auftrat, sondern eher schleichend.  Dennoch habe ich einen Verdacht, wann es mich erwischt hat.  Ich glaube, es begann bei mir - wie bei anderen Betroffenen auch - mit einem Infekt. In meinem Fall könnte das im November/Dezember 2012 gewesen sein. Also schon vor knapp 8 Jahren.  Das damalige Krankheitsgefühl war äußerst seltsam und neu für mich. Ich hatte zwar Symptome wie Abgeschlagenheit, Hals- und Kopfschmerzen, aber weder Husten noch Schnupfen. Als würde die Krankheit nicht voll ausbrechen und ausheilen können, sondern irgendwie in einem unfertigen Zustand hängenbleiben.  Es war schlimm, weil es sich über Monate hinweg zog und mein Hausarzt mir nicht helfen konnte. Im Nachhinein betrachtet, hat er das Problem untersc...

Ich früher vs jetzt

Ich früher: mehrere Male pro Woche Sport, phasenweise fast täglich (Joggen, Fußball, Krafttraining, Tischtennis, Schwimmen, Wandern,...)  Philosophie-Studium (heißt: intensiv und lange nachenken, Seminararbeiten verfassen,...)  Tätigkeit als Tierschutzlehrer an diversen Schulen Tierrechtsaktivismus  Bandproben, Konzerte, eigene Lieder schreiben  etc.  Ich jetzt (mit CFS): kein Sport mehr, keine Uni mehr, quasi berufsunfähig Treppensteigen in den 1. Stock ist oft so anstrengend, dass ich mich anschließend kurz hinsetzen muss, um wieder zu Kräften zu kommen allgemeines Aktivitäts-Niveau um ca. 80% reduziert Leben besteht hauptsächlich aus Symptomlinderung und Stabilisierung meines Zustandes kann mich nur für ca. 10 bis 15 Minuten am Stück konzentrieren, da ich sonst Brainfog riskiere (mit Konzentrieren meine ich auch Dinge wie Gespräche, Musik hören, etc.; also alles, was das irgendwie Gehirn beansprucht) hohe Anfäll...

Risikofaktoren

Ich habe schon oft darüber nachgedacht, warum CFS gerade mich erwischt hat. Es könnte alles ein großer Zufall sein, aber ich vermute, dass es bestimmte Risikofaktoren gibt, die eine CFS-Erkrankung begünstigen ( nicht: verursachen). In meinem Fall könnten folgende Faktoren eine Rolle gespielt haben: 1. Allergien: Seit meiner Kindheit reagiere ich allergisch auf Pollen. Vor einigen Jahren kam dann noch eine Hausstaub-Allergie dazu. Allergien sind ein Hinweis dafür, dass das Immunsystem mit bestimmten Substanzen nicht angemessen oder effizient genug umgehen kann. Eine banale Infektion könnte dann leichter CFS auslösen, weil das Immunsystem eines Allergikers eher zur Überreaktion neigt.  2. Meine Persönlichkeit: Spätestens seit meiner Jugendzeit hatte ich perfektionistische Tendenzen, die sich im Laufe meiner 20er eher noch verschlimmert haben. Fest steht, dass ich häufig zu hohe Ansprüche an mich selber hatte und mich dadurch unnötig gestresst habe. Ich neige auch jetz...

Systemversagen

Im Umgang mit CFS ist es nicht so, dass einge wenige inkompetente Ärzte Schuld an der Misere der Betroffenen wären. Nein, hier scheint ein komplettes Systemversagen vorzuliegen. Wie kann es sonst sein, dass eine seit Jahrzehnten (!) von der WHO anerkannte Krankheit einfach so "vergessen" wird? Es ist nicht nur das jahrelange Suchen, Hoffen und Warten auf die rettende CFS-Diagnose. Da kommt noch die absolut mangelhafte Unterstützung und mitunter unwürdige Behandlung im Gesundheitssystem hinzu.  Beim Durchlesen mancher Erfahrungsberichte frage ich mich:  Ist das ein schlechter Scherz? Passiert das gerade wirklich? Werden da tatsächlich schwerkranke Menschen von öffentlichen Stellen so mies behandelt, deren Aufgabe ja genau darin bestünde, solchen Personen zu helfen? Das ist grotesk. Geradezu kafkaesk, was sich da abspielt.  Anscheinend ist es manchen Ärzten zu viel abverlangt, sich ernsthaft mit einer Krankheit auseinanderzusetzen, von der sie bis dato w...

Trotzdem lebenswert

Angenommen, mein aktueller Zustand bliebe ab sofort bis an mein Lebensende gleich und ich könnte nichts mehr daran ändern, ganz egal, wie sehr ich mich auch bemühe. Also: Stagnation auf niedrigem Niveau.  Wie wäre das für mich? Natürlich wäre ich in meiner Lebensführung weiterhin immens eingeschränkt. Ich könnte z.B. nie wieder Sport machen oder mit der Band auftreten. Für Studium und finanzielle Unabhängigkeit sähe es ebenso schlecht aus. Zudem wäre ich im Haushalt grundsätzlich auf die Hilfe anderer angwiesen. Ansonsten bräuchte ich alleine fürs Kochen einen beachtlichen Teil meines täglichen Energiebudgets. Ich wäre also Welten von dem entfernt, was ich mir in meinen Visionen ausgemalt habe. Es wäre ein Leben in engen Grenzen, aber trotz allem lebenswert. Das Gute und Schöne würde eindeutig überwiegen. Oft wäre ich schmerz- und beschwerdefrei (und wie viele Wesen auf diesem Planeten können das schon von sich behaupten?). Ich könnte im bescheidenen Ausmaß schre...

Unsichtbares Leiden

CFS gehört zu jenen Krankheiten, die man als unsichtbares Leiden bezeichnen könnte; und zwar unsichtbar auf mehreren Ebenen: In der unmittelbaren Wahrnehmung: Es gibt Krankheiten und Beschwerden, die bei einem Menschen sofort wahrnehmbar sind (z.B. Husten, eine verstopfte Nase, ein gebrochener Arm, Wunden,...). Bei CFS ist das nicht so. Abgesehen von schweren Fällen, die mitunter bettlägerig sind, sehen viele Betroffene völlig normal aus und wirken nicht so, als hätten sie eine schwere Krankheit.  Diagnostisch: Es gibt noch keinen frei verfügbaren und weit verbreiteten Biomarker (also z.B. einen bestimmten Blutwert), der CFS eindeutig nachweisen kann.  Ärztlich: Viele Ärzte kennen CFS nicht oder wissen so wenig darüber, dass sie die Beschwerden ihrer Patienten nicht richtig einschätzen können. Dadurch sind sie auch nicht in der Lage, den Betroffenen den Weg zu anderen Ärzten zu weisen, die sich kompetent mit CFS befassen.  Gesellschaftlich...

9 Monate danach

Vor einem 3/4 Jahr bekam ich die Diagnose CFS. Seitdem habe ich haufenweise Dinge in meinem Leben verändert, um meine Situation zu verbessern. Vor allem seit Dezember habe ich mich fast nur mehr mit CFS auseinandergesetzt. Höchste Zeit also für eine Zwischenbilanz:   Was habe ich bisher erreicht? Was konnte ich schon verbessern? 1. Ich habe herausgefunden, wo meine Grenzen liegen und halte mich (meistens) daran, sie nicht zu überschreiten. Das hat dazu geführt, dass ich viel seltener einen Crash oder sonstige Verschlechterungen erleide. Anders gesagt: Ich mache mich nicht mehr unwissentlich kaputt, wie in den Jahren davor. Das Finden meiner Grenzen war ein mühsamer, langer und schmerzhafter Prozess mit vielen, vielen Rückschlägen. Aber es hat sich gelohnt und ich darf jetzt - Monate später - die Früchte dieser harten Arbeit ernten. 2. Das Gefühl am Morgen hat sich enorm verbessert. Für mich war es lange Zeit normal, morgens wie gerädert aufzuwachen. Heftige Ko...

CFS als Spiel

Ich will nichts beschönigen. CFS ist eine verdammt heftige Krankheit. Es wäre naheliegend, meine Situation als grauenhaft oder furchtbar zu bezeichnen. Aber diese naheliegende Perspektive ist meiner Meinung nach nicht unbedingt die effektivste oder beste im Umgang mit CFS. Effektiv ist eine Perspektive dann, wenn sie mir hilft, mein Ziel zu erreichen. Und mein Ziel lautet natürlich, möglichst schnell wieder gesund zu werden (was jahrelang dauern oder auch nie passieren kann). Die Das-ist-so-schlimm-Perspektive ist dabei nicht hilfreich, sondern eher demotivierend. Es gibt also eindeutig bessere Sichtweisen.  Seit einiger Zeit versuche ich daher, CFS als Spiel zu betrachten. Mit dieser Sichtweise  kann ich eher ausblenden, wie stark CFS mein Leben einschränkt. Sie sorgt für mehr Lockerheit und Gelassenheit und das kann wiederum hilfreich sein, Lösungen zu finden für die vielen Probleme bzw. Herausforderungen, welche CFS mit sich bringt. Die ganze Angelegenheit ist dan...